PROF. DR. MATTIA GERETTO (MAILAND):
Auf dem 11. Internationalen Leibniz-Kongress (Hannover, 2023) hielt PD Dr. Dr. Christina Schneider (München) einen umstrittenen Vortrag zu „Leibnizens Gott und dessen Freiheit“.
Die Veranstaltung setzt die Kontroverse fort und trägt sie in die breite Öffentlichkeit.
Im Anschluss an einen Impulsvortrag von PD Dr. Dr. Christina Schneider disputieren Prof. Dr. Ursula Goldenbaum (Atlanta/Berlin), Dr. Stefan Lorenz (Münster), Prof. Dr. Volker Peckhaus (Paderborn). Moderation: Prof. Dr. Wenchao Li (Berlin).
DONNERSTAG, den 22. Mai 2025, 17.00 Uhr
Leibnizhaus, Holzmarkt 5, 30159 Hannover
Eintritt frei.
Zum Vortrag
Eines von vielen Anliegen des Hannoverschen Universalgelehrten G. W. Leibniz (1646 ̶ 1716) war es, „Vernunft und Glauben“ zu versöhnen, d.h., philosophische Theorie und „Offenbarungswahrheiten“ (darunter auch „Mysterien“) als kohärent auszuweisen. Leibnizens Gott ist jedenfalls transzendent, vollkommen, „Person“ und „Schöpfer“. Er ist allmächtig, allwissend, allgütig, die höchste Vernunft, actus purus, … und erschafft die Welt frei – soweit die Theorie.
„Offenbarungswahrheiten“ sind von außen an die philosophische Theorie herangetragen und aus dieser nicht „ableitbar“. Sie sind uns gegeben, und damit Aufgabe, Herausforderung und auch „Testfall“ für die Integrations- und Erweiterungsfähigkeit des theoretisch-philosophischen Rahmens. Leibniz kann, vermöge des „freien Willens“ in seinem Sinn, seinen Gott kohärent als einen Gott der Offenbarung betrachten. Das ermöglicht ihm eine kohärente Rede von „Mysterien“, eine kohärente Verortung existenzieller religiöser Einstellung und gestattet Leibniz, seinen Gott einer vollständigen Transparenz zu entziehen. Diese Zuschreibungen an einen Gott lesen sich unspektakulär und sind prima facie kaum dazu geeignet, Leibnizens Leser und Korrespondenten zu verstören. Sie erhalten jedoch ihre Bedeutungen – die nicht unbedingt den „gewöhnlichen“ Konnotationen entsprechen und teilweise maßgeblich von diesen abweichen – erst durch die metaphysische Theorie, in welche sie eingebettet sind. Sie sind, so kann man überspitzt sagen, theoretische Terme der Leibniz’schen Metaphysik. Das ist nicht verwunderlich, behandelt Leibniz doch sein Anliegen, „Vernunft und Glauben“ zu versöhnen, als theoretisch-philosophisches Problem. Leibnizens Gott, so die These, ist ein Gott der Philosophen. Damit entsteht die Frage, ob dieser Gott noch „göttlich“ oder „heilig“ ist?
Zu den Personen
PD Dr. Dr. Christina Schneider studierte Mathematik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1984 erfolgte die Promotion zum Dr. rer. pol. im Fach Statistik, im Jahr 2000 die Promotion und im Jahr 2008 die Habilitation im Fach Philosophie. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Ontologie, Metaphysik, wissenschaftstheoretische und methodische Fragen der Metaphysik („Meta-Metaphysik“) sowie die Philosophie von Gottfried Wilhelm Leibniz. Einschlägige Publikationen: Leibniz’ Metaphysik. Ein formaler Zugang (2002), Metaphysische Freiheit – Kohärenz und Theorie (2009), Metaphysik – Anspruch und Offenheit (2021).
Prof. Dr. Ursula Goldenbaum, Philosophin und Philosophiehistorikerin, ist Prof. em. der Emory University (Atlanta/Georgia, USA).
Dr. Stefan Lorenz, Philosophiehistoriker, ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter Koordinator eines deutsch-französischen Projektes einer kritischen Edition der „Essais de Théodicée“ von G. W. Leibniz an der Leibniz-Forschungsstelle der Universität Münster.
Prof. Dr. Volker Peckhaus, Wissenschaftshistoriker und Philosoph, ist Prof. i.R. der Universität Paderborn.
Prof. Dr. Wenchao Li, Vize-Präsident der G.-W.-Leibniz-Gesellschaft, war Inhaber der Leibniz-Stiftungsprofessur der Leibniz-Universität Hannover und der Landeshauptstadt Hannover (2010 ̶ 2017).
Der in der GWLB aufbewahrte Brief-wechsel wurde 2007 in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen. Die UNESCO nennt ihn ein „Gründungsdokument der europä-ischen Moderne“. Sie hebt sein breites Themenspektrum hervor und bezeichnet ihn als „scientific community“ avant la lettre. Leibniz korrespondierte über soziale, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg, er informierte sich, debattierte, intrigierte, projektierte … Die neue Reihe widmet sich einzelnen Korrespondenzen, um die Vielfalt des Briefwechsels zu illustrieren.
Aus der Vortragsreihe "Vernetzt mit Leibniz – Die Korrespondenzen" (eine Kooperation von Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek und der Leibniz-Forschungsstelle Hannover):
Informationen folgen.